Gegen die Verschärfung der Abschiebungsgesetze
Die schwarz-rote Bundesregierung plant mit zwei aktuellen Gesetzentwürfen, die Entrechtung von Geflüchteten in Deutschland massiv voranzutreiben. Am 30. April einigte sich das Kabinett auf einen Gesetzentwurf, mit dem Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als "sichere Herkunftsstaaten" definiert werden sollen. Damit wird gesetzlich festgelegt, in diesen Ländern finde keine "Verfolgung" statt, und alle Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern werden in der Regel ohne wirkliche Einzelfallprüfung als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Die Asylanträge sollen in restriktiven Eilverfahren abgefertigt und die Menschen schnell wieder abgeschoben werden. Damit werde, so die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung, "zugleich die Zeit des Sozialleistungsbezugs in Deutschland verkürzt und der davon ausgehende Anreiz für eine Asylantragstellung aus wirtschaftlichen Gründen reduziert".
Die Einordnung der drei Westbalkanstaaten als "sichere Herkunftsländer" reiht sich damit ein in die rassistische Regierungskampagne gegen Roma, die spätestens 2012 durch den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich vorangetrieben wurde, als er - parallel zur Einweihung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma - gegen asylsuchende Roma aus dem Balkanraum hetzte und sie öffentlich pauschal des "Asylmissbrauchs" beschuldigte. Dieser Diskurs und die aus ihm folgenden Gesetzesverschärfungen stehen in direkter Kontinuität zur rassistischen Kampagne Anfang der 1990er Jahre, die zu rassistischen Pogromen, die sich etwa in Rostock-Lichtenhagen unter anderem explizit gegen Roma richteten, sowie zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993 führten.
Nur wenige Wochen später setzte die Bundesregierung nun mit einem zweiten Gesetzentwurf nach, der in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung nicht zu Unrecht als "das Schärfste und das Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit der Änderung des Asylgrundrechts vor 21 Jahren eingefallen ist", bezeichnet wird. Nach ihm kann fast jede Geflüchtete, die es schafft, trotz restriktiver Visa- und Grenzkontrollpolitiken nach Deutschland zu gelangen, inhaftiert werden. Wer nicht alles Mögliche dafür tut, selbst abgeschoben werden zu können, kann in Abschiebehaft genommen werden. Denn die Annahme von "Fluchtgefahr", die als Inhaftierungsgrund ausreicht, gilt unter anderem für all jene Personen, die "unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist" sind, die "sich verborgen" haben, "um sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen", "Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität verweigert oder unterlassen" haben oder "in Bezug auf den Reiseweg oder einen Asylantrag eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht" haben. Letzteres wird automatisch angenommen, wenn ein Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wird. In Verbindung mit der "Sichere Herkunftsstaaten"-Regelung können wird also die Rechtsgrundlage geschaffen, um asylsuchende Roma aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina nach der Ablehnung ihres Asylantrages im Schnellverfahren direkt in Abschiebehaft zu verfrachten, automatisch mit einem mehrjährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot zu belegen und abzuschieben.
Die Bundesregierung ignoriert bewusst und aus einem gegen Roma gerichteten Rassismus heraus, dass Roma in den Westbalkanländern einer massiven Diskriminierung ausgesetzt sind und von allen wichtigen gesellschaftlichen Ressourcen - z.B. Lohnarbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, politische Mitbestimmung - in einem Grad ausgeschlossen sind, der zusammengenommen auch nach der geltenden Rechtslage als asylrelevante "Verfolgung" anerkannt werden müsste. Dass ein Teil der Roma in diesen Ländern die Aufhebung der Visapflicht für diese Länder seit 2009/2010 dazu nutzte, um dieser Situation zu entfliehen und durch einen Asylantrag in Deutschland und anderen Ländern der EU eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu erreichen versuchte, veranlasste die Bundesregierung seitdem, durch eine Neuauflage der "Asylmissbrauchs"-Kampagne die rassistische Stimmung gegen Roma nicht nur in Deutschland, sondern auch in Serbien anzuheizen: Nachdem die EU, unter Federführung Deutschlands, Serbien gedroht hatte, die Visafreiheit wieder aufzuheben, wenn der Staat nicht dafür sorgen würde, dass weniger seiner Staatsbürger_innen Asylanträge stellten, begann der serbische Staat, Roma mittels "Racial Profiling" an den Grenzübergängen an der Ausreise aus ihrem eigenen Land zu hindern, und führte einen eigenen Straftatbestand ein, der die "Beihilfe zur missbräuchlichen Asylantragstellung im Ausland" mit einer Gefängnisstrafe bedroht. Parallel stiegen rassistische Ressentiments und Gewalttaten gegen Roma in Serbien weiter an, da sie als Sündenböcke für die drohende Aufhebung der Visafreiheit durch die EU ausgemacht wurden.
Die Bundesregierung will mit den beiden Gesetzespaketen, die noch weitere Verschärfungen enthalten, die rechtlichen Möglichkeiten, unerwünschte Asylsuchende weiter entrechten und schneller abschieben zu können, einen großen Schritt ausbauen. Dabei schert sie sich weder um die Forderungen der andauernden Refugee-Proteste, die die Brutalität des deutsch-europäischen Grenzregimes in den letzten zwei Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt haben, noch um die zahlreiche Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf für die linken Bewegungen, den Ausbau der deutschen Abschiebemaschinerie durch eine Vielzahl von Aktionen auf unterschiedlichen Ebenen zu bekämpfen und zu unterlaufen.