Eisenhüttenstädter Abschiebekartell zeigt Härte
Der Protest gegen die Abschiebung von Usman M. nach Ungarn hatte Erfolg: Nachdem der Abschiebeversuch im Juni nur durch den couragierten Widerstand eines Flugpassagiers verhindert werden konnte, stellte das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder nun am Donnerstag die Rechtswidrigkeit der Abschiebung fest. Usman M. wurde endlich aus dem Abschiebeknast entlassen und konnte von den Aktivist_innen, die seit Mittwoch wieder ein Protest- und Solidaritätscamp vor den Toren des Lagers in Eisenhüttenstadt errichtet hatten, freudig in Empfang genommen werden. Am Donnerstag fand im Camp für ihn eine „Welcome“-Party statt.
Nur einen Tag später zeigte das Eisenhüttenstädter Abschiebekartell in drastischer Weise, dass es bereit ist, Abschiebungen mit allen Mitteln, trotz gesundheitlicher Risiken und unter Beugung rechtlicher Bestimmungen durchzusetzen: Usmans Mitstreiter Genadi K., der wie Usman am Hungerstreik im Eisenhüttenstädter Abschiebeknast teilgenommen hatte, wurde am Donnerstag direkt aus dem Krankenhaus nach Georgien abgeschoben. Wegen seines im Zuge des ca. 14-tägigen Hungerstreiks verschlechterten Gesundheitszustands war er ins Krankenhaus verlegt worden. Dort wurde nun offenbar hinter verschlossenen Türen ein „ärztliches Gutachten“ erstellt, Genadi K. für „reisefähig“ erklärt und über Moskau nach Georgien abgeschoben. Das „Netzwerk Lager Eisenhüttenstadt – Netzwerk protestierender Refugees und Unterstützer_innen aus Berlin und Brandenburg“ bezeichnet die Maßnahme treffend als „Entführung“.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg veröffentlichte eine Meldung von Genadis Anwältin, die mit ihrem abgeschobenen Mandanten telefonieren konnte:
Laut Auskunft meines Mandanten wurde er in der Nacht des 25. Juli 2013 aus dem Krankenhaus abgeholt, gegen 04:00 Uhr morgens. Er wurde aus dem Bett geholt. Er habe schreien wollen, dies sei verhindert worden. Er wurde über Moskau nach Tiflis ausgeflogen. Da waren zwei Polizeibeamten, die ihn aus dem Krankehaus abgeholt haben und eine weitere Person in zivil sei dabei gewesen. Dies sei wohl ein Arzt gewesen. Dieser sagte ihm, er müsse essen, da er sei schwach sei. Er wollte mit seiner Anwältin sprechen. Dies sei nicht erlaubt werden. Er sagt wörtlich: "They deported me as an unhuman being." Im Flugzeug wurde ihm ein Pflaster auf den Mund geklebt: "They put me a scotch on my mouth and a white sack". Er habe schreien wollen, aber das sei nicht möglich gewesen. Er habe mitbekommen, dass man den anderen Fluggästen gesagt habe, dass er krank und alles in Ordnung sei. Sein Heimatort ist 600 km von Tiflis entfernt, ihm wurde weder sein Telefon mitgegeben, noch verfügt er über irgendwelche Barmittel. Es sei eine schreckliche Situation gewesen. Er könne nicht mehr. Das habe alles so lange gedauert, nach Frankfurt am Main, nach Moskau und dann nach Tiflis. Es gehe ihm sehr schlecht und er wisse nicht wie es weiter gehe, er habe Angst, sich irgendwo zu melden. Er sei vollkommen verzweifelt.
Vor kurzem erst hatte ein bei der Eisenhüttenstädter Bundespolizei tätiger Honorararzt in einem Gutachten im Zusammenhang mit der verhinderten Abschiebung von Usman M. von „Asylantenmissbrauch“ gesprochen und den jungen Mann abwertend als „weinerlich“ bezeichnet.
In Usmans Fall konnte die Abschiebung durch Proteste am Flughafen, den Hungerstreik der Menschen im Abschiebeknast, kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit von Unterstützter_innen und letztlich durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gestoppt werden.
Im Fall von Genadi setzten Bundespolizei und Amtsärzte nun offenbar alles daran, die brutale und rechtswidrige Abschiebung direkt aus dem Krankenhaus durchzusetzen, bevor ihnen eine gerichtliche Intervention zuvorkommen konnte.
Die Geschehnisse zeigen die rassistische Logik des Eisenhüttenstädter Abschiebekartells, die in Verbindung mit der faktischen Aufhebung der Gewaltenteilung zwischen verschiedenen beteiligten Stellen zu einer tödlichen Falle für Geflüchtete wird, in der rechtliche Beschränkungen ebenso wenig zählen wie humanitäre Standards. Die Amtsärzte und -ärztinnen in Eisenhüttenstadt agieren bereitwillig als Teil des Abschiebekartells. Der Fall zeigt einmal mehr, wie dringlich die Forderung nach externen und unabhängigen medizinischen und traumatherapeutischen Untersuchungen ist.
Und sie zeigen, wie wichtig es ist, den Protest gegen das Eisenhüttenstädter Abschiebekartell aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Das Asyl- und Ausländerrecht, das die Inhaftierung von Flüchtlingen in Abschiebeknästen, Abschiebungen und die Unterbringung in Lagern vorsieht, ist grundsätzlich Teil des Problems. In Eisenhüttenstadt werden jedoch selbst die Grenzen, die das Recht dem behördlichen Handeln setzt, unter Aushebelung der Gewaltenteilung und aus einer rassistischen Logik heraus, systematisch missachtet.
Den Abschiebeknast schließen!
Unabhängige Gesundheits- und Traumaversorgung für alle Geflüchteten!
Die Eisenhüttenstädter Abschiebemaschinerie stoppen!
Medienberichte (Auswahl):
rbb online: "Bundespolizei hat hungerstreikenden Flüchtling abgeschoben" (26.07.13)
taz.de: "Vom Krankenhaus direkt ins Flugzeug" (26.07.13)
taz.de: "Nach Hungerstreik in Eisenhüttenstadt: Georgischer Flüchtling abgeschoben" (26.07.13)
Berliner Morgenpost: "Asylsuchender wird direkt aus Krankenhaus abgeschoben" (26.07.13)
Berliner Morgenpost: "Hungerstreikender Mann aus dem Krankenhaus abgeschoben" (26.07.13)
Potsdamer Neueste Nachrichten: "Hungerstreik: Georgier abgeschoben" (27.07.13)
Lausitzer Rundschau: "Hungerstreikender Mann abgeschoben" (27.07.13)
junge welt: "Hungerstreikender Mann abgeschoben" (27.07.13)
Focus Online: "Hungerstreikender Mann aus dem Krankenhaus abgeschoben" (26.07.13)
Märkische Oderzeitung: "Hungerstreikender Mann aus dem Krankenhaus abgeschoben" (26.07.13)