Protest gegen Abschiebungen, Lagerunterbringung und rassistische Sondergesetze in Eisenhüttenstadt

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Ein Bericht von der Refugee Protest Demo am 3. Juni

Am Montag, den 3. Juni, protestierten ca. 200 Menschen in Eisenhüttenstadt auf vielfältige Art und Weise gegen Abschiebungen und die anhaltend schlechten Lebensbedingungen im Brandenburger Erstaufnahmelager für Flüchtlinge.

Kurz nach 16 Uhr begann auf dem Lagergelände die Trauerfeier für Djamaa Isu, dem jungen Geflüchteten aus dem Tschad, der sich am 27. Mai unter dem Druck seiner bevorstehenden Abschiebung nach Italien das Leben genommen hatte. Eine Schweigeminute wurde abgehalten und Reden in verschiedenen Sprachen abgehalten.

Nach Abschluss der Trauerfeier zogen die antirassistischen Demonstrant_innen zum auf dem Lagergelände befindlichen Abschiebeknast, um den zum Zweck ihrer Abschiebung dort einsitzenden Menschen ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen und den Protest dorthin zu tragen, wo sich das Abschiebesystem in Gitterstäben, Zäunen und NATO-Stacheldraht materialisiert. Einigen Aktivist_innen gelang es, mit Hilfe eines Fahrradständers ein Loch in den Zaun zu schlagen. Zur Befreiung der Knastinsass_innen reichte es leider nicht, da die Polizei mit vermummten und gepanzerten Einsatzkräften anrückte und die Demonstrierenden mit Pfefferspray und Schlagstöcken gewaltsam vom Zaun abdrängte. Mitarbeiter_innen des Lagers beschwerten sich über die "Sachbeschädigung". Doch wenn es sich bei der Sache um einen Zaun handelt, der dazu dient, Menschen einzusperren, nur um ihre Abschiebung zu erleichtern, ist jede Beschädigung an ihr zu begrüßen. Ein Refugee-Aktivist, der durch das Loch auf das Knastgelände vorgedrungen war, wurde von der Polizei vorübergehend in Gewahrsam genommen. Erst, als er nach ca. einer Stunde freigelassen wurde, wurde das Lagergelände verlassen. Vor dem Lagereingang formierte sich nun, mit etwas Verspätung, die Demo, die Geflüchtete aus dem Lager Eisenhüttenstadt geplant hatten, um gegen Abschiebungen, gegen unzureichende Gesundheitsversorgung, gegen das Vorenthalten von Informationen, gegen fremdbestimmtes Essen, gegen die Residenzpflicht und gegen Polizeikontrollen zu protestieren. Der Protest war bereits vor dem Suizid von Djamaa Isu geplant worden; dieser war nicht Auslöser der Proteste, sondern vielmehr Symptom der Zustände, gegen die zu kämpfen sich die Geflüchteten bereits zuvor organisiert hatten.

Mit einer lautstarken und kraftvollen Demonstration zogen die Geflüchteten und ihre Unterstützer_innen durch Eisenhüttenstadt und riefen Parolen wie "Azadî - Freiheit", "Stop Deportation", "Feuer und Flamme den Abschiebebehörden", "Bleiberecht für alle und auf Dauer" oder "Solidarité avec les sans papiers". In der Innenstadt vor dem Rathaus wurde eine Kundgebung mit Redebeiträgen in verschiedenen Sprachen abgehalten. Am Rande der Demonstration wurden Flugblätter verteilt, um Passant_innen über die Situation im Lager und die Forderungen der Flüchtlinge aufzuklären. Dann ging es wieder zurück zum Lager, vor dessen Toren eine Abschlusskundgebung abgehalten wurde. Die Redner_innen bedankten sich bei allen Teilnehmenden für die kraftvolle Demo. Polizei und Lagerleitung wurden eindringlich davor gewarnt, zu versuchen, die an den Protesten teilnehmenden Geflüchteten mit Repressalien einzuschüchtern.

Die Demonstrant_innen, die aus Berlin angereist waren, darunter viele Refugee-Aktivist_innen vom Protestcamp am Oranienplatz, machten sich mit dem Zug auf den Rückweg. Am Bahnsteig in Eisenhüttenstadt sowie erneut in Berlin am Alexanderplatz versuchten Bundespolizisten, einen Refugee-Aktivisten herauszugreifen, um seine Personalien festzustellen. Dies konnte durch solidarisches Verhalten der Mitreisenden erfolgreich verhindert werden.

Es ist gelungen, den Protest gegen Abschiebungen, Lagerunterbringung und diskriminierende Sondergesetze gegen Flüchtlinge hör- und sichtbar in die Stadt zu tragen. Nun heißt es, dranzubleiben: die politisch Verantwortlichen für diese Zustände sollen nicht die Möglichkeit haben, den Protest "auszusitzen", so dass sich am Ende gar nichts verändert. Unser Protest wird weitergehen, bis es keine Abschiebungen mehr gibt, bis keine Menschen mehr fremdbestimmt in Lagern leben müssen, bis rassistische Sondergesetze abgeschafft sind, bis ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist.

 


 

Pressespiegel zur Demonstration:

rbb - Video: Proteste nach Suizid eines Flüchtlings
rbb - Bericht: Flüchtlingsinitiativen demonstrieren in Eisenhüttenstadt
Märkische Oderzeitung - Bericht: Eisenhüttenstadt: Demonstranten stürmen Abschiebehaftanstalt
Märkische Oderzeitung - Fotostrecke: Demonstration in der ZABH
neues deutschland: Kundgebung vor Asylheim
Berliner Zeitung #1: Selbstmord eines Flüchtlings: Djamaas Tod
Berliner Zeitung #2: Flüchtlinge demonstrieren nach Suizid in Aufnahmestelle
junge welt: Eisenhüttenstadt: Protest gegen tödliche Abschiebepolitik
B.Z.: Abschiebe-Demo: Berliner Chaoten auf Randale-Trip an der Oder
DIE WELT: Flüchtlinge demonstrieren nach Suizid in Aufnahmestelle
T-Online: Flüchtlinge demonstrieren nach Suizid in Aufnahmestelle
berlin.de: Flüchtlinge demonstrieren nach Suizid in Aufnahmestelle
BerlinOnline: Flüchtlinge demonstrieren nach Suizid in Aufnahmestelle
inforiot: Solidarität ist praktisch geworden!
Westkreuz Antifa (Frankfurt): 250 Menschen gedenken dem Tod von Djamaa Isu in Eisenhüttenstadt
Red Globe: Flüchtlinge demonstrieren nach Suizid in Eisenhüttenstadt