Naziaufmärsche blockieren ist unser Recht (und auch das von Wolfgang Thierse)
Am 1. Mai 2010 haben 10 000 Menschen in Berlin einen Aufmarsch von 600 Nazis blockiert, unter ihnen PolitikerInnen wie der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Das war gut und richtig!
In den letzten Jahren haben sich Massenblockaden als ein wirksames Mittel gegen Naziaufmärsche etabliert: Menschen aller Alterstufen mit verschiedenen politischen Einstellungen schaffen sich so die Möglichkeit jenseits symbolischer Rituale gegen Nazis zu protestieren. Sie zeigen nicht nur ihren Unmut gegen die Zurschaustellung einer menschenverachtenden Ideologie, sondern sie sorgen für deren Verhinderung, indem sie den Neonazis den öffentlichen Raum streitig machen und diesen mit antirassistischen und solidarischen Inhalten füllen.
Seitdem Menschen Naziaufmärsche blockieren, versuchen konservative PolitikerInnen und ihr bewaffneter Arm, die DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft), diese Aktionen zu denunzieren. Polizei und Staatsanwälte werden aktiviert, Hausdurchsuchungen, Prozesse, Strafgelder etc. folgen. In den Medien melden sich seltsame Demokratieexperten zu Wort, und versuchen, engierte BürgerInnen zur Gefahr für die Demokratie zu erklären. Auf diese Weise werden rücksichtslose Polizeieinsätze gegen Sitzblockaden gerechtfertigt und AntifaschistInnen zum eigentlichen Problem erklärt - während die Nazis als zu ignorierendes Randphänomen ertragen werden sollen.
Doch wir haben aus der Geschichte etwas anderes gelernt und wollen dafür sorgen, dass "Kein Fußbreit den Faschisten" keine hohle Phrase bleibt. Der Nationalsozialismus ist ein abschreckendes Beispiel dafür, was Kompromisse und Zugeständnisse an die Nazis mit sich bringen. Ziviler Ungehorsam dagegen ist nicht nur elementar für eine lebendige Gesellschaft, ziviler Ungehorsam ist und bleibt auch unser Recht. Der Erfolg der Massenblockladen besteht in der moralischen Kraft eines legitimen Anliegens: Neonazis und ihr Gedankengut müssen, wo immer sie sich zeigen, bekämpft werden.
Die Flut von bekannten (und daher schon etwas langweiligen) Beschimpfungen, die sich nun auch über Wolfgang Thierse ergießt, ist Ausdruck der Angst vor engagierten BürgerInnen. Das Risiko wegen einer Ordnungswidrigkeit bestraft zu werden, nehmen Tausende dafür in Kauf. Solche Regelverletzungen sind für uns Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzung; sie sind Schritte auf dem Weg in eine bessere und gerechtere Gesellschaft. Aus diesen Gründen beobachten wir die aktuelle Schimpferei über Blockaden mit Gelassenheit. Das kann auch Wolfgang Thierse tun.