Wir sind alle Oranienplatz und wir bleiben Alle!
***english below***
Vor 14 Monaten haben wir, Asylsuchende in Deutschland, uns dazu entschlossen, unsere Situation nicht länger hinzunehmen. Wir entschieden uns gegen die Unterbringung in isolierenden Lagern und die alltäglichen Diskriminierungen. Wir organisierten uns, verließen die Lager, setzten uns über die Residenzpflicht hinweg, welche europaweit nur in Deutschland existiert und begaben uns auf einen Protestmarsch von Würzburg bis nach Berlin. Dort angekommen besetzten wir den Oranienplatz und später die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule, um unseren Protest gegen die deutsche und europäische Asylpolitik auszuweiten.
Diese Aktionen haben unserem Protest die erforderliche Aufmerksamkeit verschafft: Erst dadurch wurde er für die Öffentlichkeit sichtbar und konnte darüber hinaus auch andere Geflüchtete ermutigen, ihre Isolation zu brechen und für ihre Rechte zu kämpfen.
Unsere Bewegung besteht nicht nur aus Asylsuchenden, die in Deutschland unter der Residenzpflicht und den Lagerbedingungen leiden, sondern auch aus Geflüchteten, die über Lampedusa nach Deutschland gekommen sind und infolgedessen nicht einmal das Recht haben, Asylanträge zu stellen.
Wir haben keine Möglichkeiten, ein würdevolles Leben in Europa zu führen. Die Asylpolitik hindert uns daran, in Wohnungen zu leben und unseren eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Die Bedrohung durch Deportation lässt uns in ständiger Angst leben. Was ist das für ein Leben, wenn stets die Gefahr besteht, vielleicht schon morgen von der Polizei abgeholt zu werden?
Unsere Forderungen sind und bleiben die Abschaffung der Lager- und Residenzpflicht, der Stopp aller Abschiebungen, ein dauerhaftes Bleiberecht, das Recht auf Arbeit, Bildung und selbstbestimmtes Wohnen, sowie das Recht auf Bewegungsfreiheit. Wir verlangen, dass man uns als Menschen respektiert, wir wollen unsere Menschenrechte!
Wir waren gezwungen, unser bisheriges Leben aufzugeben, weil Kriege um Ressourcen, wirtschaftliche Ausbeutung und politische Verfolgung uns keine andere Wahl ließen, als unsere Familien zu verlassen und nach Europa zu fliehen.
Westliche Regierungen stützen Diktatoren mit Waffenlieferungen und verwüsten mit Militäreinsätzen unsere Städte. Ob in Libyen, in Tunesien, in Afghanistan oder im Kongo: Europa geht es nicht um den Schutz der Bevölkerungen, sondern um den Zugang zu Ressourcen. Diese Tatsachen erinnern an koloniale Zustände und die Leidtragenden sind wir, doch wird unsere Geschichte nicht gerne erzählt.
Wir haben es satt, Spielball der europäischen Außen- und Asylpolitik zu sein. Wir sind für diese Kriege nicht verantwortlich und nicht länger bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Wir sind nicht das Problem!
Warum können deutsche Staatsbürger_innen problemlos um die Welt reisen, Urlaub machen oder sich niederlassen, während wir, die wir gezwungen sind unsere Heimat zu verlassen, auf der Flucht unser Leben riskieren, um auf so entwürdigende Weise in Lagern und Abschiebegefängnissen festgehalten zu werden?
Noch vor kurzem wurde vom Sterben hunderter Menschen vor Lampedusa berichtet.
Doch diese Katastrophen führen nicht zu einem Umdenken.
Im Gegenteil werden mit Frontex und Eurosur die Grenzen Europas weiter aufgerüstet. Es wird sichtbar, dass europäische Interessen uns nicht nur in unseren Herkunftsländern bedrohen, sondern uns auch den Zugang zu einem Leben in Sicherheit verwehren. Viele Politikerinnen und Politiker zeigten sich öffentlich entsetzt, aber an unseren Lebensbedingungen in Europa hat sich nichts geändert.
Die offiziell Verantwortlichen suchen weder humane, noch politische Lösungen für dieses Problem, weil sie selbst Teil der Ursache sind.
Anstatt sich ernsthaft mit unserer Situation und den Forderungen auseinanderzusetzen, droht Innensenator Frank Henkel nun damit, unser Protest-Camp mit Gewalt zu räumen, um uns in die Unsichtbarkeit der Lagerisolation zurückzudrängen oder abschieben zu lassen.
Deshalb rufen wir nun alle Menschen sowie politische und gesellschaftliche Akteure wie Gewerkschaften, Schulen, Universitäten, Kirchen und Vereine dazu auf, sich aktiv mit unseren Forderungen zu solidarisieren, unseren Aufruf zu unterstützen und mit uns gemeinsam die Räumung des Oranienplatzes zu verhindern. Der Oranienplatz steht für Partizipation, Solidarität und Austausch und wird mittlerweile europaweit als Symbol des selbstorganisierten Protests Geflüchteter angesehen.
Ja, es ist kalt und das Leben dort ist nicht einfach. Aber wir haben uns dazu entschlossen, diese Bedingungen in Kauf zu nehmen, weil wir keinen anderen Weg sehen, das Eis zu brechen. Wenn unsere Forderungen erfüllt sind, räumen wir das Camp selbst.
Nimmt uns der Senat den Oranienplatz, nimmt er uns die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben. Wir haben keine Zeit mehr. Während wir diese Zeilen schreiben, bekommen immer mehr von uns hohe Strafen für die Missachtung der Residenzpflicht oder werden abgeschoben.
Die Bewegung wächst, werdet Teil der Bewegung!
Bringt Decken, Schlafsäcke, Essen, Musik, heißen Tee und jede Menge Entschlossenheit mit!
Mehr Informationen und Sprachen hier!
We are asylum seekers in Germany. Fourteen months ago, we decided that we would no longer accept our miserable living conditions. We decided to rise up against our accommodation in isolating Lagers and against the daily discrimination we face.
We organized ourselves, escaped the Lagers, disregarded the Residenzpflicht, and began our march from Würzburg to Berlin. Arriving there, we occupied the Oranienplatz and then the former Gerhart Hauptmann-School soon after, in order to intensify our protest against German and European asylum policy.
These actions draw the necessary media attention to our protest. It was only through these occupations that we became visible to the public, while at the same time encouraging other refugees to break their isolation and to fight for their rights.
Our movement does not only consist of asylum seekers suffering under the Residenzpflicht and the Lagers, but also of refugees who fled via Lampedusa to Germany. These refugees are not even allowed to apply for asylum here.
We have no possibility to live a life in dignity in Europe. The asylum policy hinders us from living in our own flats and providing for ourselves, because we are not allowed to work. The threat of being deported makes us live in permanent fear and insecurity. What kind of life is this, not even knowing if the police will take you the next day?
Our demands are and will remain: the abolition of Lagers and Residenzpflicht, the stopping of all deportations, a permanent right to stay, the right to work, access to education and to a self-determined habitation as well as the right to freedom of movement. We demand to be treated and respected as human beings. We demand our human rights!
We were forced to leave our previous lives behind due to resource wars, economic exploitation and political persecution. Those reasons left us with no choice other than to leave our families and to flee to Europe.
Western governments support dictatorships through weapon exports, and they destroy our cities in military operations. Whether in Libya, Tunisia, Afghanistan or the Democratic Republic of Congo, European governments do not seek to protect the people there, but to gain access to resources or to defend their own wealth and power. These facts resonate strongly with colonial times and we are the victims. But unfortunately our story is rarely told.
We are tired of being tossed around by European foreign and asylum policy. We are not responsible for their wars and we are no longer willing to bear the consequences.We are not the problem!
How is it possible that German citizens are able to travel around the world, go on vacation or settle down wherever they want, while we are forced to abandon our homes or to risk our lives while fleeing, only to wind up held in Lagers or deportation prisons in such a degrading manner?
The media recently reported about the death of hundreds of people near the coast of Lampedusa. Politicians showed themselves to be outraged in media reports, but our living conditions in Europe have not changed in the least. Neither did governments and corporations stop exploiting our resources and supporting dictatorial regimes, nor did they increase their support to offer us shelter. Instead, they intensified their border security even more, until the next tragedy in Lampedusa happens when hundreds and thousands of people will die.
Frontex and Eurosur are instead fortifying Europe’s borders. It is clear to see that European interests are not only threatening our home countries but also denying us the opportunity to live in safety.
The people in authority have failed to present any humane or political solutions to these problems because they are themselves a part of the cause.
Instead of genuinely considering our situation and demands, the German Minister of Interior Frank Henkel is now threatening to forcefully evict our camp, to push us back into the isolation of the Lagers or to deport us.
Therefore, we call upon all people, political and social actors like labor unions, schools, universities, churches and unions to actively declare solidarity, to support our call and to prevent the forced eviction of Oranienplatz. Oranienplatz stands for participation, solidarity and communication and is seen as a symbol for the self-organized struggle of refugees all over Europe.
Yes, it is cold and life on Oranienplatz is not easy. But we have decided to accept these conditions, because we do not see any other way to break the ice. We will leave the camp ourselves when our demands are fulfilled.
If the Senate takes away Oranienplatz from us, they also take away our hope for a humane life.
We are running out of time. As I type these lines, more and more of us are being fined for breaking the Residenzpflicht, while others are being deported.
The movement is growing. Become a part of the movement!
We ask you also to make calls for different groups, communities and organizations to be with us in the fight for human rights!
Please bring with you blankets, sleeping bags, food, drinks, music and hot tea!
For more information and other languages visit Asylstrike Berlin!