Bundesweite Antira-Aktionstage vom 09.-11. Juni in Berlin
Im Herbst 2010 kam es zu zahlreichen selbstorganisierten Kämpfen von Flüchtlingen gerade in Bayern: In Denkendorf mussten Anfang November zwei Flüchtlinge ins Krankenhaus gebracht werden, da sie und andere in den Hungerstreik gegangen waren. Sie wollten gegen das Ausstellen von Esspaketen und somit für Bargeld und einen selbstbestimmten Einkauf protestieren. In Coburg stellte sich heraus, dass die Sammelunterkünfte unter aller Sau sind: Kabelschächte liegen offen und Ungeziefer befinden sich in allen Räumen. In Augsburg gehen 100 Flüchtlinge auf die Straße um für Bewegungsfreiheit und bessere Unterkünfte zu demonstrieren.
Aufgrund dessen kommt es im Dezember 2010 zu ersten bundesweiten Vernetzungstreffen von Flüchtlingsselbstorganisationen und Antira-Gruppen. Die Kampagen »Abolish. Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen!“ wird ins Leben gerufen und für den 22. März 2011 ein dezentraler Aktionstag ausgrufen. An rund 30 Orten fanden an diesem Tag Aktionen gegen Residenzpflicht bundesweit statt: u.a. am berüchtigten Isolationslager Hohenleipisch in Brandenburg. Dieses liegt auf einem ehemaligen Militärgelände der Wehrmacht, abseits von jeder Zivilisation und legt so den Bewohner_innen die Isolation förmlich auf. Mit Flüchtlingen aus Berlin-Brandenburg und dem Lager selber konnte ein energiegeladenes Zeichen gegen Lagerunterbringung in Hohenleipisch und generell gesetzt werden.
Und die Abolish-Kampagne geht weiter: Mitte Juni soll es zu bundesweiten zentralen Aktionstagen in Berlin kommen. Neben einer Vielzahl von Gruppen aus der gesamten BRD sind auch einige Gruppen aus Berlin in der Kampagne involviert (FelS, ARI, Fluechtlingsraete, Corasol, Fluechtlingsini Berlin-Brandenburg, Chip-Ini, Antifa-Gruppen). Denn auch hier in Berlin hat sich die Unterbringung von Flüchtlingen verschlechtert. Zwar gab es Einzelfälle indem Einzelwohungen zur Verfügung gestellt wurden, der Normalfall sieht jedoch anders aus: Gab es in dem letzten Jahren 6 Lager in denen Fluechtlingen untergebracht waren, so stieg die Zahl innerhalb eines Jahres auf knapp 20 Lager an! Wir sagen Non! No! Hayir! Njet! Nein! Keine Lagerunterbringung von Fluechtlingen! Residenzpflicht abschaffen!
Und zum weiterlesen, das Selbstverständnis der Kampagne:
Tagtäglich setzen sich Flüchtlinge in ganz Deutschland gegen den institutionalisierten Rassismus und die Isolation zur Wehr, die sie hier erleben müssen. Die Kampagne „ABOLISH. Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen!“ basiert auf diesen alltäglichen Kämpfen und zielt darauf ab, rassistische Gesetze in Deutschland mit ihren schwerwiegenden Folgen der Stigmatisierung, Isolierung und Verfolgung von Flüchtlingen endgültig abzuschaffen.
So kämpft die Kampagne gegen sämtliche diskriminierende Gesetzgebung gegen Flüchtlinge, wie den Zwang, in Lagern leben zu müssen, die sogenannte „Residenzpflicht“, Arbeitsverbote, Zwangsabschiebungen und alle anderen Formen von institutionalisiertem Rassismus. Dabei steht vor allem die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) im Mittelpunkt der Kampagne.
Dieses Gesetz, verabschiedet in der extrem ausländerfeindlichen Stimmung von 1993, bildet die rechtliche Grundlage eines Großteils der diskriminierenden Lebensbedingungen, unter denen Flüchtlinge in der Bundesrepublik leben müssen und gegen die sie sich mit Streiks und Protesten wehren.
In diesem repressiven Gesetz ist nicht nur festgelegt, dass Flüchtlinge wesentlich geringere Sozialleistungen erhalten als deutsche Leistungsempfänger, sondern auch weitere unmenschliche und zermürbende Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Deutschland. So sind diese abhängig von Sachleistungen durch die Behörden, erhalten keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung und müssen mit Essenspaketen und Gutscheinsystemen zurechtkommen.
Die Abhängigkeit der Flüchtlinge von den mickrigen Sozialleistungen wird gesetzlich noch durch Arbeitsverbote und nachrangigen Arbeitsmarktzugang zementiert, der Zugang zu Deutschkursen, Bildung und Ausbildungsmöglichkeiten gezielt und systematisch verwehrt.
Außerdem wird Flüchtlingen in Deutschland durch die sogenannte „Residenzpflicht“ jegliches Recht auf Bewegungsfreiheit genommen.
All diese und weitere rassistische Sondergesetze bilden gemeinsam einen Gesetzeskomplex der Isolation und der sozialen Ausgrenzung. Das Ziel dieser staatlich verordneten Unterdrückung liegt darin, Flüchtlinge leichter abschieben zu können und Menschen davon abzuschrecken, überhaupt erst nach Deutschland zu kommen.
Wir wollen diese Diskussion über die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland auf keinen Fall den etablierten Parteien oder selbsternannten Expert_Innen überlassen und selbst die Gelegenheit nutzen, von der Basis aus politischen Druck auf die Verantwortlichen auszuüben.
Für uns steht fest:
Asylbewerberleistungsgesetz und „Residenzpflicht“ sind nicht reformierbar, sondern müssen komplett abgeschafft werden – die Menschenwürde ist nicht verhandelbar!
Menschenwürde, Menschenrechte und Bewegungsfreiheit sind natürliche und unteilbare Rechte!
Deshalb fordern wir:
ABOLISH. Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
ABOLISH. Residenzpflicht abschaffen!
ABOLISH. Sämtliche Formen von institutionalisiertem Rassismus abschaffen!
ABOLISH. Rassistische Sondergesetze abschaffen!
ABOLISH. Abschiebungen stoppen!