"Staatlichen Rassismus bekämpfen! Wohnungen für alle!"

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Wohnungen für alle! Gegen Lager!
Redebeitrag der InterSol-AG auf der heutigen No-Lager-Demonstration

Heute (16.11.) demonstrierten um die 150 Menschen durch Kreuzberg. Die Forderung war klar und deutlich: Wohnungen statt Lager! Denn Lager machen krank, körperlich wie seelisch. Trotz schlechtem Wetter gelang es ein eindeutiges Zeichen gegen das rassistische Abschiebesystem der BRD mit der Demonstration zu setzen.

Aufgerufen vom "Bündnis gegen Lager" wurde Sozialsenatorin Carola Bluhm mit dem Anliegen der Demo konfrontiert. Im Aufruf heißt es: "Oft sind die Flüchtlinge in maroden Plattenbauten oder Containerunterkünften untergebracht, die abseits vom Zentrum in Industriegebieten liegen. Bis zu vier Personen müssen sich ein viel zu kleines Zimmer teilen. Die Lagerleitung, Hausmeister und anderes Personal haben uneingeschränkten Zugang zu den Zimmern, Privatsphäre gibt es nicht." Der gesamte Aufruf kann hier nachgelesen werden.

 

Redebeitrag der AG Internationale Solidarität auf der Demonstration:

(english version below)

"Ziel ist, den Zuwanderern die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben in Deutschland zu ermöglichen." Das schreibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf seiner Homepage. Der Kontrast zu den realen Lebensbedingungen, die genau jene Behörde maßgeblich mitzuverantworten hat, könnte kaum größer sein. Asylsuchende und Menschen mit einer sogenannten "Duldung" werden in Deutschland seit 1982 in lagerartigen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Flankiert wird diese entwürdigende Art der Unterbringung von anderen diskriminierenden Maßnahmen wie etwa der Residenzpflicht, der systematischen Mangelversorgung durch das Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsverboten, usw.

Zentrale Aufnahmestellen, dezentrale Gemeinschaftsunterkünfte, sogenannte "Ausreisezentren" oder Abschiebeknäste - es gibt unterschiedliche Arten von Lagern, aber sie alle verfolgen den gleichen Zweck: die Entrechtung, die Kontrolle, die Isolation und die Abschreckung von Migrant_innen. Der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth hat in den 80er Jahren den abschreckenden Nutzen von Lagern mit den rassistischen Worten beschrieben: "Die Buschtrommeln sollen schon in Afrika signalisieren: Kommt nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins Lager."

Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und ein Leben unterhalb des Existenzminimums sind kalkuliert und politisch gewollt. Auch der Berliner Senat verfolgt genau diese Politik. Erst kürzlich hat er ein weiteres Flüchtlingslager eröffnet, anstatt den Menschen Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Dabei verschanzt sich der Senat hinter Argumentationen wie etwa die von einem "schwierigen Wohnungsmarkt". Dazu passt, dass der Senat die Übernahme von Mietkautionen für Flüchtlinge verweigert, die jahrelang mit Absicht mittellos gehalten werden. Die politisch gewollte Entrechtung von Migrant_innen wird durch vermeintliche ökonomische "Sachzwänge" gerechtfertigt.

In Bezug auf die Residenzpflicht wurden die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg nach langem politischem Druck antirassistischer Gruppen zu Änderungen bewegt; auf Antrag kann die Residenzpflicht von Flüchtlingen zwischen beiden Ländern nun aufgehoben werden. Allerdings handelt es sich hierbei nur scheinbar um eine wirkliche Verbesserung, denn die Residenzpflicht bleibt gegen diejenigen, die in den Augen der Behördenmitarbeiter_innen ihren sogenannten "Mitwirkungspflichten" nicht nachkommen - d.h. nicht genügend an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken - als Druck- und Sanktionsinstrument weiter bestehen. Ob Residenzpflicht oder Lagersystem - es gilt, nicht locker zu lassen. Stattdessen müssen wir den politischen Druck auf die Verantwortlichen erhöhen und deutlich machen, dass staatlicher Rassismus als vermeintliches Mittel gegen knappe Haushaltskassen nicht toleriert wird.

Gerade im Kontext der rassistisch aufgeladenen "Integrationsdebatte" gilt es, die Doppelzüngigkeit der Berliner Politik öffentlich an den Pranger zu stellen. Einerseits werden Migrant_innen dazu aufgefordert, sich doch gefälligst zu "integrieren". Andererseits wird Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen, die Teilhabe am sozialen, politischen und kulturellen Leben systematisch verweigert. Die Internierung von Menschen in Lagern und ihr Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe durch Mauern und Zäune sind unerträglich! Also: Staatlichen Rassismus bekämpfen! Innere und äußere Grenzen einreißen! Wohnungen für alle!

 

Speech by the International Solidarity comission from FelS held at the No Lager demonstration on Nov 16th

„It is our goal to facilitate equal access for all immigrants to the social, economic, political and cultural spheres of German society.“ This statement by the Federal Office for Migration and Refugees stands in stark contrast to the actual living conditions of migrants in Germany, which in turn are being shaped by exactly this government agency. Since 1982, asylumseekers and migrants holding a so-called „Duldung“ -- a preliminary and highly precarious legal status -- a forced to live in camp-like facilities. This humiliating form of housing is accompanied by many other discriminating measures such as the so-called „Residenzpflicht“, the scarce provision of goods and services by the German social welfare law for asylum seekers, and the ban to work.

German camps have different names: Zentrale Aufnahmestelle, dezentrale Gemeinschaftsunterkünfte, Ausreisezentren and Abschiebeknäste. And there are also different types of camps. But they all pursue the same purpose: the deprivation of rights, spatial and social control, and the isolation and deterrence of migrants. In the 1980s, then-governor of Baden-Wuerttemberg Lothar Spät, described the daunting effects of camps with blatant racism. Quote: „We want the jungle drums to send the signal to Africa: Do not come to Baden-Wuerttemberg, because that’s were you will have to live in camps!“ Unquote.

Social exclusion, a total lack of perspective, and a life below the breadline are deliberately caused by official policies. The government of Berlin is no exception! Instead of providing normal apartments for migrants in need of shelter, the local government recently established another refugee camp. At the same time, the City Government is hiding behind economic arguments like the „difficult rental market“. It is fitting that the government also refuses to help migrants put down rental deposits, while keeping them intentionally in a destitute sitation over years. The disenfranchisement of migrants is being legitimized with alleged fiscal constraints.

Let’s talk about the „Residenzpflicht“ for a minute: After anti-racist groups and initiatives put lots of political pressure on the City Government, things have started to change. Migrants in Berlin and Brandenburg can now request to have their Residenzpflicht temporarily suspended and move freely between both Länder. However, the actual improvement is quite modest. The staff of the local government agencies can still use the Residenzpflicht as an instrument to sanction and pressure migrants who – in their eyes -- are not willing to cooperate; which means: they are not willing to encourage their own deportation. Whether concerning the Residenzpflicht or the system of camps -- we have to continue our struggle! We need to continue or protests and increase the political pressure, and we have to make clear that we won’t tolerate state racism and its pretext of empty public coffers.

Especially in the context of the current racist debate over „Integration“, it’s incredibely important to name and shame the double standards of the Berlin government. On one hand, politicians demand integration from migrants. On the other hand, people who don’t have a German passport are systematically excluded from social, political and cultural rights. It is unbearable that there are human beings in this city who have have to live in camps, and that walls and fences are built around them to exclude them from everyday live. Fight state racism! Destroy all borders! Decent living for everyone!

Wohnungen für alle! Gegen Lager!