Unsozial und nutzlos
Der aktuelle MieterEcho, die Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft, hat den Schwerpunkt Energiearmut. Wir haben darin einen Artikel zu Prepaid-Zählern veröffentlicht.
CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Einführung von Prepaid-Zählern vereinbart, die für Haushalte mit Energieschulden zur Pflicht werden könnten. Angeblich für einen „besseren Schutz vor Strom- und Gassperren“. Wie bei Prepaid-Handys muss bei diesen Zählern eine Karte aufgeladen werden, damit Strom oder Gas fließen. Befürworter dieser Technik hoffen, die Betroffenen vor Schulden zu bewahren und sie beim Energiesparen zu unterstützen.
Dass immer mehr arme Menschen Energieschulden haben, liegt nicht an ihrem zu hohen Verbrauch. Zwar gibt es in Deutschland dazu keine Zahlen, für Österreich ist allerdings bekannt, dass das reichste Viertel der Bevölkerung doppelt so viel Energie verbraucht wie das ärmste Viertel. Auch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie widerlegt in einer Studie „das Vorurteil, dass sozial schwache Haushalte aufgrund von ihnen eigenen Verhaltensweisen wie Sorglosigkeit und Uninformiertheit einen höheren Energieverbrauch gegenüber einkommensstärkeren Haushalten aufweisen“. Beachte man objektive Kriterien – wie die längere Aufenthaltsdauer in der Wohnung bei Arbeitslosigkeit, die schlechtere Energieeffizienz der Gebäude und der Geräteausstattung und weitere Merkmale wie die häufige Überbelegung der Wohnungen in armutsgefährdeten Haushalten –, liege eher ein sparsamerer Verbrauch als bei Wohlhabenden vor. Kurzum: Das Märchen von den dummen Armen, die zum Energiesparen gezwungen werden müssen, ist falsch. Die Ursache der wachsenden Energieschulden ist Armut in Verbindung mit steigenden Energiekosten und einer höchst ungerechten Kostenverteilung
Vorreiter Großbritannien
Als Vorreiter für Prepaid-Zähler gilt Großbritannien. Dort haben rund 18% der energiearmen Haushalte einen Prepaid-Zähler für Strom und 12% für Gas. Die Prepaid-Zähler bringen erheblich höhere administrative und technische Kosten mit sich. Die finanziell überforderten Haushalte zahlen für Strom durchschnittlich umgerechnet 173 Euro mehr als Haushalte, die per Lastschrift zahlen. Durch Prepaid-Zähler wird also das Problem verschärft. Die britische Regierung hat mittlerweile Kommissionen gebildet, die helfen sollen, von dieser Schuldenfalle wieder loszukommen. Zur Sicherstellung des ungehinderten Zugangs zu Energie sind die Zähler nutzlos. Im Gegenteil: Sie negieren Grundbedürfnisse und verwehren den Haushalten den Zugang zu Wärme, Licht, Kommunikation oder Kochen. Wenn sich ein Haushalt die Stromkosten nicht leisten kann, bleibt das mit einem Prepaid-Zähler genauso. Nur muss der Energieversorger nicht mehr tätig werden, denn die Haushalte klemmen sich quasi selbst ab, wenn sie ihre Karten nicht mehr aufladen können. Prepaid-Zähler simulieren ein künstliches Vorauszahlungsmodell. Davon profitieren die Stromkonzerne. In Großbritannien sind Prepaid-Haushalte nicht nur mit den erheblich höheren Stromkosten gebeutelt, die Konzerne treiben mit den Zählern auch Schulden automatisch ein, indem einfach ein bestimmter Prozentsatz zur Schuldentilgung von der Karte abgebucht wird. Die Installation der Geräte wird meistens gegen den Widerstand der Betroffenen durchgesetzt. Oft werden Wohnungen sogar aufgebrochen, um die Zähler einzubauen. Und einmal installiert, ist es gar nicht so einfach, sie wieder los zu werden. Die Betroffenen sind der Willkür der Energiekonzerne ausgeliefert. Die Einzelfälle sind dramatisch. Die britische Organisation Fuel Poverty Action sammelt auf ihrer Homepage www.fuelpovertyaction.org.uk erschreckende Berichte von Betroffenen. Vor diesem Hintergrund spricht sich der Berliner Energietisch deutlich gegen die Einführung von Prepaid-Zählern und für ein Verbot von Stromabklemmungen aus.
Die Orginalversion findet sich hier: http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2014/me-single/article/unsozial-un...