Bewegungsfreiheit geht anders!
Die rot-roten Landesregierungen von Berlin und Brandenburg haben die Residenzpflicht für Flüchtlinge gelockert. Seit Donnerstag, dem 29. Juli 2010 können in Berlin und Brandenburg wohnende Asylbewerber_innen und Geduldete eine Dauererlaubnis beantragen, um sich auch im jeweiligen Nachbarbundesland frei bewegen zu können. Aber auch mit der neuen Regelung bleibt die Residenzpflicht ein Druckmittel auf Flüchtlinge, das abgeschafft werden muss.
Die bundesdeutsche Realität bedeutet für Asylbewerber_innen und geduldete Flüchtlinge eine massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Um ihren Landkreis verlassen zu können, muss jedes Mal bei der Ausländerbehörde eine entsprechende Sondergenehmigung beantragt werden und Verstöße gegen die Residenzpflicht können als Straftat geahndet werden.
Seit Jahren drängen Flüchtlingsinitiativen und antirassistische Gruppen nicht nur in Berlin und Brandenburg auf die Abschaffung der Residenzpflicht. Dass die Regierungen beider Länder die Regelung nun gelockert haben, ist ein Erfolg dieser Proteste. Ein Grund, sich zurückzulehnen oder gar von einer generellen Abkehr von der restriktiven Flüchtlingspolitik in den rot-rot regierten Ländern auszugehen, ist die neue Regelung dagegen nicht: Die Erteilung der neuen Dauererlaubnis kann nämlich verwehrt werden, "wenn Geduldete ihre Rückführung vorsätzlich verzögern, indem sie ihre Identität verschleiern oder bei der Passbeschaffung nicht mitwirken", so die Innenminister Körting und Speer in einer gemeinsamen Erklärung (vgl. taz vom 29.07.2010). Diese Leitlinie eröffnet den Ausländerbehörden reichlich Spielraum für Schikanen gegen Flüchtlinge. Daneben schränken weitere willkürliche Restriktionen die Bewegungsfreiheit ein: Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, strafrechtliche Verurteilung (auch wegen Verstoß gegen die Residenzpflicht) und "verfassungsfeindliche Bestrebungen" sind Ausschlussgründe für eine Dauererlaubnis. Soll also der Verfassungsschutz entscheiden, ob Flüchtlinge sich frei bewegen (und bspw. an antirassistischen Treffen teilnehmen) dürfen?
Mit der neuen Regelung bleibt in Berlin und Brandenburg die Residenzpflicht als Druck- und Sanktionsinstrument u.a. gegen Flüchtlinge bestehen, die nicht aktiv an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken. Sie ist weiterhin ein Teilaspekt von vielen in einem ganzen System der Entrechtung von Flüchtlingen ist: Die Unterbringung in Lagern, die Ausgabe von Chipkarten oder Lebensmittelpaketen statt Bargeld, die systematische Mangelversorgung durch das Asylbewerberleistungsgesetz, Ausreisedruck, Abschiebehaft und Abschiebungen - all dies findet unvermindert weiter statt. Die Proteste gegen die verschiedenen Ausdrucksformen staatlichen Rassismus müssen daher weitergehen bis globale Bewegungsfreiheit für alle erreicht ist.